Umwege reduzieren –
in Deutschland und Europa
Die Organisation und Kontrolle des Luftverkehrs über einem Land ist eine hoheitliche Aufgabe, die jeder europäische Staat in eigener Verantwortung durchführt. Zugleich ist Luftfahrt wie kaum eine andere Branche auf internationale Kooperationen und Verbindungen angewiesen. Um dem Rechnung zu tragen und auch für die Zukunft den Verkehr sicher, geordnet und pünktlich abwickeln zu können, hat die Europäische Union im Jahr 2004 unter dem Namen Single European Sky (SES) ein Programm für einen einheitlichen europäischen Luftraum gestartet.
Ziele des Programms sind unter anderem einheitlich hohe Sicherheitsstandards in Europa sowie kürzere Flugrouten. Diese sparen Kerosin ein und vermindern damit den Ausstoß von Kohlendioxid. Die Deutsche Flugsicherung hat dafür gesorgt, dass in Deutschland nahezu alle Strecken direkt geflogen werden. Die durchschnittliche Abweichung von der Idealroute in Deutschland konnte im Jahr 2019 um rund 31 Prozent von 5,5 km auf 3,8 km reduziert werden. Dadurch ließen sich in diesem Jahr rund 71.000 Tonnen CO2 einsparen. Eine weitere Stellschraube ist die Flughöhe: Schon die Verlagerung der Reiseflughöhe eines Flugzeugs um 600 Meter kann den Kerosinverbrauch um bis zu drei Prozent beeinflussen.
Direkte Flugführung senkt den Kohlendioxidausstoß
Je kürzer der Weg, desto geringer der Kohlendioxidausstoß – auf diese einfache Formel lässt sich das Bestreben bringen, in Deutschland und Europa die Flugzeuge so kurz wie möglich zu führen. In der Praxis ist das allerdings nicht ganz so einfach, denn auch im Luftraum kann man auf Hindernisse stoßen: Militärische Übungsgebiete oder Lärmvermeidung machen Umwege nötig.
Im Jahr 2023 gab es in Deutschland 2,84 Millionen Flugbewegungen. Das sind im Schnitt über 9.000 pro Tag. Da wird es selbst in den Weiten des Himmels eng und die allerkürzeste Flugverbindung ist aus vielen Gründen nicht möglich. Da ist zum einen die Staffelung der Flugzeuge, die dafür sorgt, dass ein Sicherheitsabstand zwischen allen Luftfahrzeugen eingehalten wird. Dazu kommen Umwege, die geflogen werden, um möglichst wenige Menschen mit Fluglärm zu belasten.
Militärische Übungsgebiete können ebenfalls nicht zu jeder Zeit durchflogen werden und zusätzlich sorgen Wind und Wetter für Abweichungen. Einige Luftstraßen benötigen dazu eine besondere Navigations- und Kommunikationsausrüstung. Verfügt das Luftfahrzeug nicht über die geforderte Mindestausrüstung, darf die Luftstraße nicht benutzt werden – und das kann wiederum einen Umweg bedeuten.
Europaweite Forschung für mehr Energieeffizienz am Himmel
SESAR wurde als europäische Initiative zur Vereinheitlichung der Dienste im Rahmen des europäischen Flugverkehrsmanagements ins Leben gerufen. Eines der definierten Ziele ist der Umweltschutz und dazu zählt vor allem auch die Reduzierung der Kohlendioxidemissionen.
SESAR soll als Forschungsvorhaben zur Vereinheitlichung, Harmonisierung und Synchronisierung der Flugsicherungsdienste in Europa beitragen. Mit Blick auf die Reduktion des Kerosinverbrauchs hat SESAR den Auftrag, die Erreichung der Ziele des „European Green Deal“ zu unterstützen. Das SESAR Treibstoffeffizienz-Programm untersucht dabei alle Prozesse eines Fluges, von Gate zu Gate. Dabei sind Ziele für jede Phase des Fluges definiert worden.
Partner sind alle relevanten Beteiligten des Luftverkehrs: die zivilen und militärischen Flugsicherungsorganisationen, die Gesetzgeber, Hersteller, Fluglinien, Flugzeugbetreiber und andere. Die aktuelle Phase von SESAR hat im Jahr 2021 begonnen und ist auf 10 Jahre angelegt.
Mehr direkte Flugverbindungen, effizientere Reiseflughöhen
Der Luftraum über Belgien, Frankreich, Deutschland, Luxemburg, den Niederlanden und der Schweiz gehört zu den verkehrsreichsten in Europa. Durch die mehr als 1,5 Millionen Quadratkilometer große Fläche führen viele Flugrouten. Damit nimmt dieses Gebiet eine entscheidende Rolle ein, wenn es darum geht, einen einheitlichen energieeffizienten Luftraum in Europa zu schaffen.
Um den Flugverkehr in Europa zu vereinheitlichen, wurde das Programm Single European Sky (SES) ins Leben gerufen. Dazu gehörte auch die Einteilung des Luftraums in Functional Airspace Blocks (FABs). Ein FAB ist ein definierter Luftraum, der sich über mehrere Länder zieht. Die Größe des einzelnen FAB richtet sich nicht nach den Landesgrenzen, sondern nach den Hauptverkehrsströmen. Der Luftraum über Belgien, Frankreich, Deutschland, Luxemburg, den Niederlanden und der Schweiz bildet den Functional Airspace Block Europe Central – kurz FABEC. In ihm sind zugleich die meisten der großen europäischen Flughäfen und Hubs angesiedelt.
Innerhalb des FABEC ist es seit 2010 gelungen, 1.365 direkte Flugstrecken einzurichten. Dazu wurden militärische Übungslufträume geöffnet und verlagert. Des Weiteren wurden die Flugwege von 30 Verbindungen zwischen Großflughäfen in der Flughöhe optimiert. Die direkten Streckenführungen und das sogenannte „Free Route“-Programm, bei dem die Fluggesellschaften selber bestimmen können, in welcher Höhe sie fliegen wollen. In einem ersten Schritt bietet die DFS den Fluggesellschaften eine sogenannte freie Streckenführungen an. Dadurch verkürzt sie die Länge der geplanten Flugrouten, was sich positiv auf den Kraftstoffverbrauch auswirkt.
Ein konkretes Beispiel: Zwischen Großbritannien und Ungarn gingen 2015 neue direkte Streckenführungen in Betrieb, die auch über die Länder führen, die zu FABEC gehören. Diese neuen Routen ermöglichen Einsparungen von knapp 800 Tonnen Kerosin jährlich. So wird der CO2-Ausstoß um rund 2.500 Tonnen reduziert.
Ausgezeichnet: Free-Route-Projekt erhält Umweltpreis
Das SESAR-Projekt „Free Route Airspace Maastricht and Karlsruhe (FRAMaK)“ macht es möglich, dass heute viele Strecken zwischen den Ländern in Europa direkt geflogen werden. Das sorgt für Treibstoffeinsparungen und weniger CO2. Und für einen Preis, den „FRAMaK“ gewonnen hat.
Die beiden Städte Karlsruhe und Maastricht spielen eine besonders wichtige Rolle im Luftraum über Belgien, Frankreich, Deutschland, Luxemburg, den Niederlanden und der Schweiz. Denn: Viele Direktrouten in Europa verlaufen so, dass sie von den Kontrollzentren in Karlsruhe und Maastricht begleitet werden. „FRAMaK“ wurde im Jahr 2015 mit dem ATC Award bedacht, der einmal jährlich als Anerkennung für herausragende Projekte und Entwicklungen vergeben wird. Empfänger waren drei Partner: die DFS, die EUROCONTROL Zentrale Maastricht und die Deutsche Lufthansa.
Ziel des Projekts „FRAMaK“ war es, die betriebliche Machbarkeit und die Vorteile grenzüberschreitender Direktrouten und verbesserter Flugbahnen im vielbeflogenen Luftraum über Belgien, Luxemburg, den Niederlanden und großen Teilen Deutschlands nachzuweisen. Mit insgesamt 466 veröffentlichten, grenzüberschreitenden Direktrouten ist dieses Streckennetz erheblich angewachsen. Dies ermöglicht eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes um 30.000 Tonnen pro Jahr.