Reale Flugbewegungen über dem Atlantischen Ozean.
Nachhaltiger Luftverkehr
durch klimaoptimierte Flugrouten
Es gibt verschiedene Forschungsprojekte, die untersuchen, wie durch klimaoptimierte Flugrouten die Klimawirkung der Flugzeugemissionen reduziert werden kann. Bei der Verbrennung von Kerosin entstehen nicht nur Kohlendioxid sondern auch nicht-CO2-Emissionen wie Stickoxide, Wasserdampf und Rußpartikel. Sie alle können zur Änderung der Zusammensetzung der Atmosphäre und somit dem Klimawandel beitragen. Die Wirkung dieser Emissionen ist zum einen abhängig von der Menge und zum anderen von Ort, Zeitpunkt, Temperatur, Sonneneinstrahlung oder Wind. Bisher wird das aktuelle Wetter (Wind, Gewitter, etc.) bei der Planung und Durchführung von Flügen aus Sicherheitsgründen, zur Optimierung der Flugzeit und zur Optimierung des Kraftstoffverbrauchs berücksichtigt.
Forschungsprojekte wie REACT4C, WeCare und D-KULT des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt untersuchen jedoch, wie durch Berücksichtigung der aktuellen Wetterlage klimaoptimiert geflogen werden kann. Denn: Die Atmosphäre reagiert nicht an jeder Stelle gleich auf die Abgase von Flugzeugen. Ein Beispiel sind die Kondensstreifen: Sie bilden sich beispielsweise in feuchten und kalten Gebieten wesentlich schneller und können sich innerhalb von Minuten auflösen oder auch über mehrere Stunden bestehen bleiben. Für die Stickoxide gilt ähnliches, denn auch ihre Verweildauer und ihre Wirkung sind von örtlichen und zeitlichen Faktoren und somit von der Wetterlage abhängig. Ziel der klimaoptimierten Flugrouten ist somit, Gebiete in denen eine höhere Klimawirkung entstehen könnte zu umfliegen.
REACT4C – Forschung für klimaoptimierte Flugrouten
REACT4C war ein vom DLR koordiniertes und von der Europäischen Kommission gefördertes Projekt, das die Anpassung von Flughöhen und Flugrouten untersuchen sollte. Hierdurch sollen Kraftstoffverbrauch und die Emissionen eines Fluges reduziert werden. Zusätzlich wurde daran geforscht, wie sich die globalen Auswirkungen durch die Flugroutenführungen in Bezug auf den Klimaschutz gestalten.
Die Abkürzung REACT4C steht für den langen Projektnamen „Reducing emissions from aviation by changing trajectories for the benefit of climate“ und bringt das Ziel des Vorhabens auf den Punkt: Die Emissionen des Luftverkehrs im Sinn des Klimas durch veränderte Flugrouten zu senken. Untersucht wurden speziell Flüge über dem Nordatlantik. Ziel von REACT4C war die Optimierung von Flugrouten in Bezug auf ihre Klimawirkung unter Berücksichtigung der witterungsbedingten Klimafolgen von CO2– und nicht-CO2-Emissionen.
Neben den wetterabhängigen Faktoren hat REACT4C auch den Kraftstoffverbrauch, im Blick. Denn ein geringerer Kraftstoffverbrauch bedeutet auch einen geringeren Ausstoß von Emissionen. REACT4C wurde so angelegt, dass alle klimarelevanten Faktoren zusammen laufen, um daraus klimaoptimierte Flugrouten berechnen zu können. So wurde das Wetter über dem Nordatlantik in verschiedene Kategorien eingeteilt, die Stärken und Richtungen des Windes analysiert sowie die geplante Flugroute und die Dauer untersucht. Anhand der Wettermuster wurde dann geschätzt, wie hoch die Wirkung von Kohlendioxid und der nicht-CO2-Emissionen eines Fluges sein würden.
Mit diesen Daten wurde dann eine klimaoptimierte Flugroute berechnet, die die aktuellen Wetterbedingungen beachtet. Aus den gesammelten Daten wurde dann berechnet, wie groß die Einsparpotenziale durch eine klimaoptimierte Flugroutenführung sind. Ein Ergebnis des Forschungsprojekts war die Erkenntnis, dass je nach aktueller Wetterlage die Klimawirkung der Luftverkehrsemissionen um das Zehnfache variieren kann.
Zudem kamen Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass mit nur kleinen Änderungen in der Streckenführung und Flughöhe die potentielle Klimawirkung des Luftverkehrs um rund 25 Prozent reduziert werden kann – bei einer geringfügigen Steigerung des Kraftstoffbedarfs und der Betriebskosten von nur 0,5 Prozent. Durchgeführt wurde das Projekt zwischen 2010 und 2013 mit vielen europäischen Partnern: dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Eurocontrol, Airbus SAS, Manchester Metropolitan University, Center for International Climate and Energy Research-Oslo, UK Met Office, Reading University und der italienischen Università degli Studi dell’Aquila.
Soweit die Theorie, denn eine Umsetzung in die Praxis muss auch realisierbar sein. Aufgrund des hohen Luftverkehrsaufkommens auf manchen Flugrouten, sind die klimaoptimierten Flugrouten nicht immer und für alle Flugzeuge realisierbar, weil die Sicherheit des Fliegens nicht gefährdet werden darf. Das wäre der Fall, wenn Flugrouten zu nahe aneinander gleichzeitig beflogen werden würden. Ein Blick auf die Flugverfolgungs-Website Flightradar zeigt die Flugbewegungen, die zur gleichen Zeit zum Beispiel über dem Atlantik stattfinden. Man sieht, dass aufgrund der hohen Anzahl von Flugbewegungen, nicht jedes Flugzeug die zu einer bestimmten Zeit einzige klimaoptimierte Flugroute fliegen kann, ohne dass es mit einem anderen kollidieren würde.
WeCare – Klimawirkung reduzieren durch klimaoptimierte Flugrouten
Das von 2013 bis 2017 laufende DLR-Forschungsprojekt WeCare baute auf den Ergebnissen von REACT4C auf. Das Projekt hatte das Ziel, das Reduktionspotential von Klimawirkungen im Luftverkehr zu messen, wenn die lokal unterschiedliche Wirkung von nicht-CO2– Emissionen in einzelnen Wettersituationen ausgenutzt und der Kerosinverbrauch durch die veränderte Flugroutenführung einbezogen würde. Dabei wurde ein möglichst globales und realistisches Modell der Untersuchung verfolgt.
Um die Klimawirkung des Luftverkehrs zu reduzieren gibt es technische und operative Maßnahmen. Die Änderung von Flugrouten gehört zu den operationellen Maßnahmen und besteht darin, dass Bereiche der Atmosphäre vermieden werden sollen, in denen sich aufgrund der vorherrschenden spezifischen Wetterlagen und der Flugzeugemissionen die Klimawirkung besonders entfalten würde. Stattdessen soll die Flugroute durch Gebiete führen, die eine geringe Klimawirkung auslösen würden.
Dazu wurde der Luftverkehr unter Verwendung wetterbasierter Klimakostenfunktionen simuliert und die Flugrouten für ausgewählte Tage nach Klimagesichtspunkten optimal berechnet. Dafür wurden die Flugrouten sowohl horizontal als auch vertikal angepasst. Dazu gehört bestimmte Gebiete entweder nördlich oder südlich zu umfliegen oder zu über- oder unterfliegen. Ob die erstellten Routen so im echten Flugbetrieb hätten durchgeführt werden können, wurde mit einem Schnellzeitsimulator geprüft. Dabei wurde auch bedacht, ob es durch die laufend angepassten Routen zu Kapazitätsengpässen im Luftraum oder zu steigenden Kosten für Kraftstoff, Crew oder Flugsicherung kommen kann.
Auf Grundlage der Forschungsergebnisse sollen später neben neuen Strategien zur Verminderung der Klimawirkung des Luftverkehrs, neue und klimafreundlichere Flugzeugkonfigurationen und Betriebsweisen entwickelt werden.
D-KULT – Klimaoptimiertes Fliegen im Praxistest
Seit 2022 widmet sich das Forschungsprojekt D-KULT (Demonstrator Klima- und Umweltfreundlicher Lufttransport) der möglichen Umsetzung von klimaoptimierten Flugrouten im realen Betrieb. Das Projekt untersucht, wie die Vorhersage von Nicht-CO2-Effekten verbessert werden kann, und wie darauf aufbauend die Entstehungsgebiete dieser Effekte vermieden werden können. Dazu sind neben dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt auch Partner aus dem Luftverkehr, wie Lufthansa und die Deutsche Flugsicherung an D-KULT beteiligt.
Im Projekt D-KULT sollen Verfahren erprobt werden, mit denen Flüge so umgeroutet werden können, dass sich die klimawirksamen Nicht-CO2-Effekte reduzieren. Dazu müssen zunächst die Entstehungsgebiete sicher vorhergesagt werden können, da sie von vielen Bedingungen, wie z.B. bei langlebigen Kondensstreifen von der Luftfeuchte abhängig sind. Im nächsten Schritt benötigen die Airlines für ihre Flugplanung Tools, die in der Lage sind, die Vermeidung solcher Gebiete bei der Routenplanung zu berücksichtigen. Und auch die Flugsicherung muss die Umleitung von Flügen darstellen können, ohne dass die sichere, geordnete und flüssige Abwicklung des Luftverkehrs beeinträchtigt wird. Anders als in früheren Projekten werden in D-KULT damit nicht nur Einzelflüge betrachtet, sondern es wird auch das gesamte System des Luftverkehrs mit vielen Flügen, die sich auch gegenseitig beeinflussen, berücksichtigt.
D-KULT ist auf drei Jahre angelegt, und läuft noch bis 2025. Das Verbundprojekt wird durch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt geleitet, weitere Partner sind z.B. der Deutsche Wetterdienst (DWD), die Deutsche Flugsicherung (DFS), Lufthansa und Systemhäuser wie z.B. Lufthansa Systems. Das Projekt wird durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz im Rahmen des Luftfahrtforschungsprogramms des Bundes (LuFo) gefördert.