Nachhaltigkeitskriterien
für alternative Flugkraftstoffe
Die Einhaltung bestimmter Nachhaltigkeitskriterien bei der Produktion und dem Einsatz von alternativen Flugkraftstoffen ist von zentraler Bedeutung. So sollen der Klimanutzen optimiert und negative Begleiterscheinungen vermieden werden. Im Vergleich zu fossilen Brennstoffen ist es daher wichtig, dass alternative Kraftstoffe eine positive CO2-Bilanz aufweisen. Die Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU (EU RED) sowie die deutsche Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung schreiben daher seit 2009 Nachhaltigkeitskriterien für die Produktion von alternativen Kraftstoffen aus Biomasse vor. Zudem sollen ab dem Jahr 2018 Biokraftstoffe eine um mindestens 60 Prozent bessere CO2-Bilanz vorweisen müssen als fossile Brennstoffe.
Nachhaltigkeitskriterien sorgen für verantwortungsvolle Herstellungsverfahren
Was ist nachhaltig? Welche genauen Aspekte müssen bei der Herstellung von alternativen Flugkraftstoffen beachtet werden? Orientierung bieten Nachhaltigkeitskriterien, die sich in drei Kategorien einteilen lassen: sozial, ökologisch und ökonomisch. Alternative Kraftstoffe müssen vom Anbau über die Herstellung bis zur Aufbereitung und ihrem Einsatz bestimmte Kriterien dieser Kategorien erfüllen, um eine nachhaltige und wettbewerbsfähige Alternative zu herkömmlichem Kerosin zu bieten.
Ökologische Nachhaltigkeit
Ökologisch nachhaltig bedeutet, dass die Produktion von alternativen Flugkraftstoffen die natürlichen Ressourcen schonen muss. So dürfen zum Beispiel für den Anbau von Biomasse keine sensiblen Landflächen genutzt werden. Das heißt, dass besonders keine ökologisch wertvollen Flächen wie Regenwald vernichtet werden dürfen. Denn durch die Rodung von Regenwald wird einerseits viel CO2 freigesetzt und andererseits die Artenvielfalt vernichtet. Aus diesem Grund untersagt die deutsche Gesetzgebung für Biokraftstoffe, dass es beim Anbau zu direkten Landnutzungsänderungen (LUC) kommt. Der Anbau von Pflanzen zur Kraftstoffproduktion muss nachhaltig geschehen und darf keine Landflächen, die für den Nahrungsmittelanbau gedacht sind, verdrängen. Weitere Aspekte, die unter die ökologischen Nachhaltigkeitskriterien fallen, sind die Sicherung der Biodiversität, die Wasserqualität und nachhaltige Wassernutzung sowie der Erhalt der Bodenqualität. Auch sollte vermieden werden, Monokulturen anzubauen, die den Boden zerstören.
Zumindest sollten die Flächen abwechslungsreich bewirtschaftet werden, damit sich der Boden erholen kann. Zum Erhalt der Biodiversität und Lebensräume für Tiere müssen Ausgleichsflächen geschaffen werden, auf denen sich die Tiere weiter verbreiten können. Zu den ökologischen Kriterien gehört auch der sichere und sachgemäße Umgang mit Pestiziden und Dünger, um den Boden nicht zu überlasten und die Biodiversität zu schützen. Ferner müssen Anbauflächen auch so ausgewählt und angelegt werden, dass es keiner künstlichen Bewässerung bedarf, sondern die normalen Niederschläge ausreichen. Denn die Qualität und die Verfügbarkeit des Trinkwassers dürfen für Mensch, Tier und Natur durch eine künstliche Bewässerung oder den Einsatz von Pestiziden und Dünger nicht abnehmen. Die Bodenqualität von degradierten Flächen kann z.B. durch den Anbau von Energiepflanzen wie Jatropha oder Camelina gezielt verbessert werden, da sie in kargen Gegenden wachsen und so Landflächen wieder landwirtschaftlich nutzbar machen können.
Soziale Nachhaltigkeit
Der wichtigste Aspekt bei den sozialen Kriterien ist, dass die für die Herstellung von alternativen Flugkraftstoffen genutzten Rohstoffe nicht in Konkurrenz zu Nahrungsmitteln stehen. Sie dürfen folglich die Versorgungssicherheit der Gesellschaft mit Lebensmitteln nicht einschränken. Daher darf kein Wettbewerb zwischen der Produktion von alternativen Kraftstoffen und Lebensmitteln entstehen. Dazu gehört auch, dass der Anbau von Biomasse bzw. Energiepflanzen nicht dazu führen darf, dass Lebensmittelpreise und somit die Kosten für den Lebensunterhalt für ärmere Menschen steigen.
Unter die sozialen Aspekte fallen aber auch Kriterien wie faire Arbeitsbedingungen und Löhne sowie die Beachtung von Wasserrechten. Auch darf die Produktion von synthetischen Kraftstoffen, wie PtL, keinen negativen Einfluss auf die Energiesicherheit haben. Die Kraftstoffproduktion sollte der lokalen Bevölkerung Arbeitsplätze bieten. Ferner sollten Landrechte der lokalen Bevölkerung eingehalten werden, damit beispielsweise Agrarflächen für Lebensmittel nicht von Anbauflächen für Biomasse verdrängt werden. Zudem sollte ein sozialer Mehrwert geschaffen werden. Dazu gehören Investitionen in die Infrastruktur, die medizinische Versorgung und die Einrichtung von Schulen und Kindergärten.
Ökonomische Nachhaltigkeit
Unter ökonomischen Kriterien müssen alternative Flugkraftstoffe möglichst energieeffizient produziert werden. Durch den Anbau von Biomasse oder die Produktion synthetischer Kraftstoffe darf den entsprechenden Regionen, meist in Schwellen- und Entwicklungsländern, kein ökonomischer Nachteil entstehen. Vielmehr muss die Kraftstoffproduktion einen gesellschaftlichen Mehrwert schaffen. Dazu gehören zum Beispiel brachliegende Flächen wieder wirtschaftlich zu machen, für Arbeit und Einkommen bei der lokalen Bevölkerung zu sorgen sowie in Wissen und Bildung zu investieren. Es müssen folglich Maßnahmen ergriffen werden, um Armut dauerhaft zu bekämpfen. Besonders der Aufbau von Wissen ist ein wichtiger Aspekt, um die Bevölkerung nachhaltig an den wirtschaftlichen Entwicklungen teilhaben zu lassen.
Die „Tank oder Teller“ Debatte – Konkurrenz im Anbau
Wenn über die Herstellung und den Einsatz von alternativen Flugkraftstoffen diskutiert wird, muss immer beachtet werden, dass der Anbau von Biomasse bzw. Energiepflanzen auch in direkter Konkurrenz zur Erzeugung von Nahrungsmitteln stehen kann. Daher ist es wichtig, soziale, ökologische und ökonomische Nachhaltigkeitskriterien zu beachten, damit es keine negativen Effekte auf die Landflächennutzung, die Nahrungsmittelversorgung und gegebenenfalls auch den sozialen Wohlstand der lokalen Bevölkerung gibt. In manchen Fällen, wie zum Beispiel bei der Kerosingewinnung aus Algen, ist das nicht der Fall.
Betroffen von der Konkurrenz zwischen dem Pflanzenanbau zur Erzeugung von alternativen Kraftstoffen und zur Nutzung als Nahrungsmittel sind vor allem die Entwicklungsländer. Hier kann es durch den Anbau von Energiepflanzen zu negativen Auswirkungen in der regionalen Lebensmittelversorgung und dem sozialen Wohlstand der Bevölkerung kommen. Deshalb hat der Roundtable of Sustainable Biomaterials (RSB) Kriterien zusammengestellt, die den Anbau von Energiepflanzen mit möglichst geringen negativen Effekten fördern. Der Roundtable on Sustainable Biomaterials (RSB) ist eine Initiative, in der sich Regierungen, Unternehmen, NGOs und andere zusammengefunden haben, um Zertifizierungen und Kooperationen im Rahmen der nachhaltigen Biomasseproduktion zu schaffen. An der Erstellung dieser Kriterien haben auch internationale Initiativen wie der Roundtable on Sustainable Palm Oil (RSPO) oder der Roundtable Responsiblc Soy (RTRS) mit gearbeitet.
Der Roundtable on Sustainable Biomaterials (RSB)
Bei der Produktion soll beispielsweise darauf geachtet werden, dass keine Nahrungsmittel zur Biomasseproduktion genutzt werden, weniger Fläche beansprucht wird und auch Reststoffe Verwendung finden. So eingesetzt, kann die landwirtschaftliche Produktion von Energiepflanzen auch zur wirtschaftlichen Förderung von Regionen führen. Sie können Arbeitsplätze schaffen, eine nachhaltige Landwirtschaft fördern und eine Verbesserung von Lebensverhältnissen herbeiführen, die der Landflucht entgegenwirken. Dazu gehören der Ausbau von Infrastruktur, wie die Wasserversorgung, Schulen und Straßen.
In der Diskussion über die Vor- und Nachteile des Anbaus von Energiepflanzen spielen besonders die beiden Abkürzungen LUC und ILUC eine große Rolle. LUC steht für Land-Use-Change und meint die Landnutzungsänderung vom Nahrungsmittelanbau hin zum Anbau von Energiepflanzen.
Hypothese der indirekten Landnutzungsänderung (iLUC)
Die ILUC-Hypothese nimmt an, dass aufgrund von Nachhaltigkeitsvorschriften die Rohstoffe für die Produktion alternativer Kraftstoffe auf Flächen angebaut werden, die ursprünglich für den Anbau von Lebensmitteln bestimmt waren. Dadurch würde sich langfristig auch die Landnutzung und somit die Lebensmittelproduktion weltweit ändern, da diese auf bisher nicht landwirtschaftlich genutzte Flächen ausweichen müsste. Dazu würden weitere Agrarflächen für Monokulturen geschaffen – zum Beispiel durch das Roden von Urwäldern. Die etwa durch das Abholzen des Regenwaldes entstandenen Treibhausgasemissionen würden dann der Produktion von alternativen Kraftstoffen angerechnet.
Nachhaltigkeit entlang der Wertschöpfungskette – Vom Feld in den Tank
Alternative Kraftstoffe reduzieren zwar die Treibhausgasemissionen erheblich, allerdings sind sie nicht zu einhundert Prozent CO2-neutral. Denn für die CO2-Bilanz muss immer der gesamte Lebenszyklus eines Treibstoffs betrachtet werden. Da spielen zum Beispiel auch der Anbau und die Ernte der Rohstoffe, die Produktion, der Transport und die Verarbeitung der Biomasse eine Rolle.
Vom Anbau und der Ernte, über die Produktion bis zum Tank durchläuft der Herstellungsprozess von alternativen Kraftstoffen mehrere Schritte, wo bei jedem einzelnen Treibhausgasemissionen produziert werden. Der gesamte CO2-Fußabdruck des Kraftstoffs wird durch die Addition all dieser Emissionen errechnet.
Im Vergleich mit herkömmlichem Rohöl liegen die CO2-Emissionen im Schnitt um 35 Prozent niedriger, wenn alternative Flugkraftstoffe eingesetzt werden. Allerdings kann die Ausbeute auch wesentlich höher sein. Mit Talg, Fischöl oder Stroh als Ausgangsquelle können bis zu 80 Prozent Kohlendioxid eingespart werden. Seit 2017 gilt die Erneuerbare-Energien-Richtlinie (EU RED), die festschreibt, dass alternative Kraftstoffe mindestens 50 Prozent und ab 2018 mindestens 60 Prozent CO2 gegenüber Kraftstoffen aus Erdöl einsparen müssen. Die Einsparung von CO2 ist nur eine Facette der Nachhaltigkeit, wenn es um die Produktion von Biomasse geht. Die Landnutzungsänderung, der Einsatz von Pestiziden und soziale Faktoren sind ebenfalls wichtige Aspekte. Die Erzeugung von Flugkraftstoffen aus Sonnenenergie, Kohlendioxid und Wasser – Power-to-Liquid – verbraucht erheblich weniger Fläche, Energie und Wasser. Aber: Die Entwicklung dieser Verfahren braucht noch Zeit und Entwicklungsarbeit.
In Europa unterliegt die Produktion von Biomasse zur Herstellung alternativer Flugkraftstoffe den Nachhaltigkeitskriterien der EU. Dabei wird die gesamte Wertschöpfungskette weltweit kontrolliert: Vom Nachweis der Nachhaltigkeit beim Anbau über die Ölmühlen, die Lager- und Produktionsstätten bis zum Handel.