Warum wird dem Luftverkehr trotz Nutzerfinanzierung dennoch vereinzelt vorgeworfen, er würde subventioniert?
Diese Vorwürfe basieren darauf, dass Passagiere keine Mehrwertsteuer auf internationale Flugtickets zahlen müssen, der Verbrauch von Kerosin im gewerblichen Luftverkehr nicht besteuert wird und vereinzelt Regionalflughäfen Gelder aus Landeshaushalten erhalten.
Warum müssen Passagiere für einen internationalen Flug keine
Mehrwertsteuer zahlen?
Auf Tickets für Flüge innerhalb Deutschlands zahlen Flugpassagiere den vollen Mehrwertsteuersatz in Höhe von 19 Prozent. Im Gegensatz dazu ist der Mehrwertsteuersatz für Passagiere im Schienenpersonennahverkehr und im Schienenfernverkehr sogar auf 7 Prozent reduziert. Eine Mehrwertsteuer auf Tickets für internationale Flüge könnte der hiesige Gesetzgeber maximal nur für den über deutschem Hoheitsgebiet zurückgelegten Flugabschnitt erheben. Hiervon hat der Gesetzgeber nach § 26 Absatz 3 UStG (Umsatzsteuergesetz) abgesehen.
Und das aus gutem Grund: Denn ansonsten würden internationale Flüge von deutschen Flughäfen aus gegenüber internationalen Flügen von ausländischen Flughäfen aus verteuert. Dies würde zu weiteren Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten deutscher Unternehmen führen. Die Folge: Abwanderungen von Passagieren in das europäische Ausland, das eine Mehrwertsteuer auf internationale Flüge nicht erhebt. Zudem wäre eine solche Erhebung mit einem hohen administrativen Aufwand verbunden, da für jeden Flug der tatsächliche innerdeutsche Streckenanteil berechnet werden müsste.
Doch wie viel Steuern könnte der Staat einnehmen, wenn er nur auf den inländischen Streckenanteil internationaler Flüge den vollen Mehrwertsteuersatz in Höhe von 19 Prozent erheben würde? Nach seinen eigenen Angaben beliefen sich die Steuereinnahmen – gleichwohl ohne Berücksichtigung der Steuervermeidungseffekte – dann auf lediglich rund 80 Millionen Euro jährlich (vgl. Bundestags‐Drucksache 17/10724 vom 19.9.2012).
Diese Schätzung ist deutlich geringer als die 4,76 Milliarden Euro, die das UBA als vermeintliche Höhe der Steuereinnahmen ausweist, und die dem Luftverkehr entsprechend als vermeintliche Steuervergünstigung angerechnet werden.1 Dies liegt darin begründet, dass das UBA – entgegen der internationalen Gesetzeslage – auch den nicht‐deutschen Streckenanteil in seine Schätzung miteinbezieht. Wie oben dargestellt darf der deutsche Gesetzgeber darauf aber gar keine Mehrwertsteuer erheben. Somit kann hier auch nicht von einer Steuervergünstigung in Milliardenhöhe die Rede sein, wie vom UBA behauptet.
1 Vgl. Umweltbundesamt (2016): Umweltschädliche Subventionen in Deutschland – Aktualisierte Ausgabe 2016 für das Jahr 2012, Dessau.
Warum ist Kerosin von der Energiebesteuerung befreit?
Entsprechend europarechtlicher Vorgaben könnte der hiesige Gesetzgeber nach Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2003/96/EG lediglich Inlandsflüge in die Kraftstoffbesteuerung miteinbeziehen.1 Der europäische Gesetzgeber verweist hier zur Begründung auf internationale Abkommen, die die grenzüberschreitende Besteuerung verbieten. Zudem empfiehlt er, Inlandsflüge nicht der Kraftstoffbesteuerung zu unterziehen: „Bestehende internationale Verpflichtungen sowie der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in der Gemeinschaft machen es ratsam, bestehende Steuerbefreiungen für Energieprodukte zur Verwendung in der Luftfahrt […] beizubehalten.“
Zu Recht: Denn die Kraftstoffbesteuerung auf Inlandsflügen würde innerdeutsche Zubringerflüge – in der Regel mit deutschen Fluggesellschaften – für die Mittel‐ und Langstrecke ab deutschen Drehkreuzen verteuern, z.B. ab Frankfurt, München, Berlin oder Düsseldorf, wohingegen Zubringerflüge – in der Regel mit nicht‐deutschen Fluggesellschaften – für die Mittel‐ und Langstrecke ab ausländischen Drehkreuzen (z.B. Istanbul oder Dubai) nicht besteuert würden. Dies würde zu massiven Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten deutscher Flughäfen und Fluggesellschaften führen. Ohnehin wären diese von einer solchen Besteuerung stärker als ihre Wettbewerber betroffen, da deutsche Unternehmen einen größeren Anteil ihrer Umsätze mit innerdeutschen Flügen erzielen.
Diese Wettbewerbsverzerrungen würden zu einer Reduktion innerdeutscher Flüge und einer Reduktion von Mittel‐ und Langstreckenflügen aus Deutschland führen, da sich letztere dann zunehmend finanziell nicht mehr lohnen – Wertschöpfung und Beschäftigung verlagern sich dann aus Deutschland weg, ohne dass weniger geflogen wird. Es würde nicht zu einer Reduktion der Flüge oder Passagierzahlen führen und CO2 würde weiter emittiert – allerdings dann von im Ausland startenden Flugzeugen.
Aus diesem Grund hat sich der deutsche Gesetzgeber auch bewusst gegen eine Kerosinsteuer entschieden, und stattdessen die Luftverkehrsteuer eingeführt. Diese Steuer hat einen entscheidenden Vorteil: Im Gegensatz zu einer Kerosinsteuer ist sie endzielbezogen und somit wettbewerbsneutral. D.h. unabhängig davon, ob ein Passagier mit Abflug aus Deutschland in Frankfurt, Amsterdam, London oder Dubai umsteigt, zahlt er für ein bestimmtes Reiseziel immer denselben Steuersatz.
Nachdem die Luftverkehrsteuer 2024 erneut erhöht wurde, liegt ihre Höhe je nach Entfernung des Flugziels nun zwischen 15,53 Euro und 70,83 Euro pro Ticket. Für 2024 erwartet die Bundesregierung so Steuereinnahmen in Höhe von 1,68 Milliarden Euro. Dies sind deutlich höhere Einnahmen, als durch eine wettbewerbsverzerrende, innerdeutsche Kerosinsteuer erzielt werden könnten: Auf Grundlage des Kerosinverbrauchs im Jahr 2022 beliefen sich deren möglichen Steuereinnahmen auf etwa 280 Millionen Euro jährlich.2
1 Gleiches gilt für innergemeinschaftliche Flüge zu EU‐Mitgliedstaaten, mit denen dies in einem bilateralen Luftverkehrsabkommen vereinbart worden ist. Angesichts der wettbewerbsverzerrenden Wirkungen verzichten die Mitgliedstaaten derzeit hierauf.
2 Bei diesen Schätzungen sind noch nicht die negativen Auswirkungen auf das Flugangebot in Deutschland berücksichtigt. Diese würden die tatsächlich erzielbaren Steuereinnahmen reduzieren.
Warum zahlen einzelne Bundesländer Unterstützungszahlungen an Flughäfen?
Sofern es sich nicht ohnehin in erster Linie um privatwirtschaftliche Initiativen handelt (z.B. Flughäfen Weeze und Memmingen), obliegt es den politisch gewählten Entscheidungsträgern vor Ort, den gesamtwirtschaftlichen inklusive gesellschaftlichen Wert der luftverkehrlichen Anbindung einer Region durch einen Flughafen zu beurteilen, z.B. für die regionale Wirtschaft und den Tourismus. Diese kann ähnlich wie beim ÖPNV gesellschaftspolitisch erwünscht sein.
Es ist dann Aufgabe der Europäischen Beihilfenkontrolle, darüber zu befinden, ob die von einzelnen Bundesländern und Gemeinden gezahlten Gelder mit europäischem Recht vereinbar sind oder ob sie den Wettbewerb verzerren. Hierzu hat die Europäische Kommission im Jahr 2014 neue „Leitlinien für staatliche Beihilfe für Flughäfen und Fluggesellschaften“ veröffentlicht.1
Die deutsche Luftverkehrswirtschaft steht zum Prinzip der Nutzerfinanzierung und lehnt Betriebssubventionen grundsätzlich ab. Sie vertritt die Auffassung, dass alle Flughäfen in einem angemessenen Zeitraum ihre Betriebskosten selbst decken müssen. Auch die EU-Kommission hat deshalb beschlossen, staatliche Beihilfen nur noch bis zum Jahr 2027 zu erlauben, danach müssen sich diese Flughäfen selbst tragen.2
1 Mitteilung der Kommission, Leitlinien für staatliche Beihilfe für Flughäfen und Fluggesellschaften, ABl. C 99 vom 4.4.2014, S. 3.
2 Vgl. „Leitlinien für staatliche Beihilfe für Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften“ (2014/C 99/03).